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Rauchende Colts - Tabak und die Streckenwahl (19.9.2003)

Die Formel 1 folgt dem blauen Dunst - und wer nicht mitraucht, wird gnadenlos abgeschossen. So jedenfalls sehen die Manöver der FIA aus, die um keinen Preis auf Einnahmen aus der Tabakwerbung verzichten möchte. Immerhin haben mit Ferrari und Williams zwei der drei Top Teams einen Zigarettenfabrikanten als Hauptsponsor und BAR gehört zu zwei Dritteln zu BAT. Entsprechend folgt die Streckenplanung dem Tabakkonsum, beziehungsweise dessen Akzeptanz bei den jeweiligen Regierungen.

Während Europa den USA nachzieht und Raucher zunehmend an den Pranger stellt - die Einnahmeverluste aus der Tabaksteuer lassen sich ja auch auf andere Steuern umschlagen - wird in Nah- und Fernost weitgehend ungehindert und hemmungslos gequalmt. Amerikaner haben in vielen Bundesstaaten die Hoffnung aufgegeben, ein Restaurant mit Raucherecke zu finden, Japaner und Chinesen hingegen zünden sich durchaus auch während des Essens ein Stengelchen an, ohne damit irgendwie aufzufallen.

Die Traditionsstrecke von Spa-Francorchamps wurde, kurz nachdem sich die Belgische Regierung für ein Tabakwerbeverbot entschied, aus dem F1-Kalender gestrichen. Mittlerweile beabsichtigt man, das Werbeverbot wieder zu streichen und, voilá, der Grand Prix steht wieder. Falls das Werbeverbot fällt. Uneinsichtiger zeigt man sich in anderen Ländern; sowohl Österreich als auch Kanada beharren auf dem Werbeverbot und beide Länder werden im kommenden voraussichtlich sowohl zur Tabak- als auch Formel-1-freien Zone.

Als Ersatz sind Bahrain und China vorgesehen. In Bahrain wird der erste Nahost-Grand Prix am 4. April als drittes Saisonrennen gefahren werden, falls die Strecke bis dahin fertig ist. Wegen der extremen Hitze und Luftfeuchtigkeit kann dort im Sommer kein Rennen ausgetragen werden, es stehen also nur Frühjahr oder Herbst zur Auswahl. Ein Rennen im Oktober hätte, wie das Beispiel Malaysia zeigte, vermutlich negative Auswirkungen auf den Besuch des zweiten Rennens im April 2005, lediglich ein halbes Jahr später. Also arbeitet man mit Hochdruck an den Anlagen, um noch rechtzeitig eine Abnahme durch die FIA zu ermöglichen. Sollte die Strecke nicht rechtzeitig fertig werden, könnte Österreich noch eine Gnadenfrist erhalten.

Ende September folgt der zweite Newcomer: Shanghai dürfte sein 240 Millionen Dollar Projekt bis dahin wohl in jedem Fall fertig gestellt haben. Ebenso wie die Anlage von Bahrain von Hermann Tilke entworfen, gelten beide Strecken als die modernsten des Formel 1 Zirkus. Keine von beiden wird als Ausweichstrecke angesehen: China schloss mit der FIA einen Vertrag über sieben Jahre, von 2004 bis 2010, ab.

Auch sonst wird der Rennkalender in der kommenden Saison anders als gewohnt aussehen. Der Saisonabschluss wird 2004, mit Hinsicht auf den wichtigsten Zuschauermarkt Europa, nicht mehr frühmorgens in Japan, sondern frühabends in Brasilien ausgetragen werden; Japan wird nach China zum zweitletzten Rennen werden,Indianapolis wandert dafür in den Juni, Imola wird das traditionalle erste Europa-Rennen verlieren und nach Monaco laufen. Noch mit Fragezeichen versehen ist der Grand Prix in Frankreich; zwar steht das Rennen nicht zur (Tabak-) Debatte, es muss aber noch ein neuer Vertrag ausgehandelt werden.

Völlig offen ist die Saison 2005. Zwar wird die Türkei als aussichtsreichster Kandidat für einen Grand Prix gehandelt, doch auch Russland, Indien und Dubai arbeiten an neuen Rennstrecken und möchten einen GP-Termin ergattern. Welches Land dafür aus dem Programm fällt, wird wahrscheinlich der blaue Dunst entscheiden …


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