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Formel Null, Teil 3: der Blinker... (15.Feb.2009)

Nachdem wir uns in den vorangegangenen Teilen schon mit dem alltäglichen Wahn auf unseren Strassen beschäftigt haben, darf an dieser Stelle auch ein Nachruf nicht fehlen, ein Nachruf auf eine Vorrichtung an unseren Autos, die mehr und mehr in Vergessenheit gerät: den Blinker.

Warum die Strassenverkehrsordnung noch immer den Anbau von Blinkern an allen Autos verlangt, ist mir persönlich ein Rätsel; es müssen nostalgische Gründe sein. Wirklich nötig sind sie ja nicht mehr, wie wir jeden Tag aufs Neue sehen können. Verschwörungstheoretiker haben schon seit langem vermutet, der Blinker sei eine perfide Erfindung des luminiszenz-technischen Industriellen Komplexes gewesen, der damit eine nie versiegende Abnahmequelle für seine Produkte schaffen wollte. Spätestens im Zeitalter der Leuchtdiode greift diese Theorie natürlich nicht mehr. Und, Hand auf's Herz: wann habt ihr das letzte Mal eine Blinkerbirne ausgewechselt?

Früher wurde noch oft und gerne geblinkt. Ganz am Anfang war das natürlich noch ein Statussymbol: Schaut her, ich habe da was elektrisches, das man auch im Dunkeln sieht, keine altmodischen Winkerarme mehr. Ein letzter Aufschwung kam zu Zeiten des Deutschen Wirtschaftswunders (ich meine hier das aufsteigende in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts...): Ich kann mir ein Auto leisten, und zwar mit allen Schikanen! Ich blinke, also bin ich! Doch danach ging es bergab.

Zunächst wurde das Blinken reduziert, eine "weniger ist mehr" Reaktion auf das gelbe Blitzgewitter rundum, dann eingeschränkt. Kurzblinken wurde modern. Wurde früher noch auf der Autobahn während des ganzen Spurwechsels geblinkt, ja oft sogar während des ganzen Überholvorgangs - für die jüngeren unter euch: das war damals, als man nach dem Überholen wieder auf die rechte Spur zurückkehrte - so wurden bald weniger Leuchtzeichen schick. Dreimal blinken reicht, das sieht cool aus, ich bin halt so schnell drüben. Logischerweise waren zweimal Blinken dann noch cooler. Heute ist man froh wenn der Vordermann noch einmal in voller Länge blinkt. Oft ist das Gehirn des Webmasters noch am analysieren - war das jetzt ein Blinkzeichen oder hat nur die Sonne reflektiert? Scheint überhaupt Sonne? - und schon hat man einen Kurzblinker vor dem Kühlergrill und testet das Standvermögen der Scheibenbremsen. Und das sind die, die überhaupt noch blinken. Viel moderner ist es, einfach Taten sprechen zu lassen. Also, abbiegen, Spur wechseln, überholen: Just do it.

Euer Webmaster hat oft und lange über die Gründe sinniert. Als Mensch der immer das gute in anderen sehen möchte (aber selten entdeckt), unterstelle ich simple Überforderung. Oder mangelnde Fähigkeit, je nach dem. Bei vielen Autos ist das linke Hebelchen an der Lenksäule derart überladen, dass man Sympathie mit den nicht-blinkenden Usern empfinden könnte. Immerhin, nur ein kleiner Moment an Konzentrationsschwäche, ein leichtes Zittern der linken Hand, und statt des gewünschten Blinkzeichens geht der Scheibenwischer los, die Lichthupe beamt durch den Vordermann, der Tempomat schaltet sich ein oder die Freundin wird mit dem Schleudersitz rauskatapultiert. Bei anderen Autos sind all die netten Funktionen auf verschiedene Hebel verteilt, so dass der arme Fahrer sich erst mal zum richtigen durchtasten muss. Verständlich wenn er da das Handtuch wirft und lieber gleich am Lenkrad dreht.

Wahrscheinlicher aber ist es nur ein weiteres Symptom von zunehmender Rücksichtlosigkeit und Egoismus im Strassenverkehr (unter Kennern als "Audismus" bekannt). Was uns dann am Ende zum letzten verbleibenden Daseinsgrund der vier gelben Lämpchen führt: alle zugleich als Warnblinker im Einsatz. Wenn man gerade mal wieder in zweiter Spur vor der Lieblingspizzeria parkt.


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