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Schwarzes Gold - Reifenkrieg 2003 (18.6.2003)

Die Entscheidung über Sieg oder Niederlage, Triumph oder Pleite, liegt oft genug weder bei den Fahrern noch bei den Konstrukteuren und Mechanikern - sie liegt in der Hand kleiner Gruppen von Ingenieuren, Chemikern und Vefahrenstechnikern. In der letztjährigen Saison wurden 15 der 17 Rennen auf Reifen von Bridgestone gewonnen, die damit einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zu Ferrari's Rekordsaison lieferten. Dieses Jahr jedoch scheint Bridgestone eher zum Hemmschuh geraten zu sein. Was ist passiert ?

Für die Saison 2003 wurden die FIA Regeln für die Bereifung der F1-Boliden geändert. Die Lieferanten dürfen für jedes Rennwochenende nur noch eine Gummimischung zum Einsatz bringen - Intermediates und reine Regenreifen unterscheiden sich also nur noch in der Profilierung. Hier hat Bridgestone, zumindest bislang, noch die Nase vorne. Die Profile dieser Reifen entstehen auf der Basis der langjährigen Erfahrungen der Techniker und werden permanent überarbeitet und verfeinert. Hierzu kommen Computersimulationen zum Einsatz, die es erlauben für eine gegebene, virtuelle Strassenoberfläche und Regenmenge das Volumen und den Verlauf des verdrängten Wassers zu errechnen. Die Rechnerkapazitäten die dabei zum Einsatz kommen sind heute höher als diejenigen, mit denen früher Kernwaffen entworfen oder Codes geknackt wurden.

Anders die Trockenreifen. Bei dem von Reglement unumstösslich vorgegebenen "Profil" (vier Rillen, jeweils mindestens 14 mm breit und 2,5 mm tief mit jeweils mindestens 50 mm Abstand) entscheidet hier fast nur die Gummimischung. Und in diesem Wettkampf der Hexenküchen haben die Franzosen dieses Jahr offenbar handfeste Vorteile. Angesichts der Dominanz der Japanischen Konkurrenz hatte Michelin Sportdirektor Pierre Dupasquier bereits Ende letzten Jahres eine verschärfte Initiative angekündigt, die offenkundig Früchte trägt. Hinzu kam die Kritik, die seitens der anderen Bridgestone Teams laut wurde; Teams wie BAR und Jordan warfen dem Hersteller vor, sich einseitig auf Ferrari zu konzentrieren. Sicherlich liegt Bridgestones Fokus auch weiter auf den Wagen der Scuderia - das zeigt schon die Präsenz der Reifeningenieure, die während jeder Test- und Rennrunde der Ferraris akribisch jeden einzelnen Rutscher, Drifter oder Verbremser beobachtet, notiert und dokumentiert. Ebenso sicher wird Bridgestone aber auch verstärkt auf die Wünsche der restlichen Kundschaft achten müssen um eine Abwanderung zur Konkurrenz zu vermeiden.

Nach der Hälfte der Saison ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Beide Hersteller haben neue, bessere, haltbarere, griffigere Gummimischungen in der Entwicklung. Jede davon könnte der nächste grosse Wurf sein. Materialforschung bleibt eben auch im Zeitalter der Gigahertz-Workstations eine Branche, in der das Gros der Arbeit "empirisch" ist - oder im Klartext: "Schaug'n mer mal..."


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