Off Track: Features

Zapped, Swiss Edition - Sauber im Abwind (2.7.2003)

Während die "Grossen Drei" untereinander - und mit ihren Reifenlieferanten - medienwirksam um die WM-Titel kämpfen, liefern die restlichen Teams den unspektakulären Hintergrund, ohne den der gesamte Formel 1 Zirkus nicht möglich wäre. Während in diesem Jahr Renault die Rolle des tapferen, doch letztendlich chancenlosen Underdogs spielen darf, der das Publikum mit unerwarteten Podiumsplätzen überrascht, ist das Team, dem diese Aufgabe während der letzten beiden Jahre oblag, auf dem Weg durch die Mittelmässigkeit hindurch - Tendenz: fallend.

1967 begann Peter Sauber seine Karriere als Auto-Tuner - mit Sportvarianten des VW Käfer. Drei Jahre später baute er seinen ersten offenen Sportwagen, den C1, einen Zweisitzer, mit dem er selbst die Schweizer Meisterschaft gewann. Die Modellbezeichnungen - das "C" steht für den Namen von Sauber's Frau, Christiane - wurden seitdem beibehalten. In den späten Achtzigern und frühen Neunzigern wurden die grössten Erfolge erreicht, 1989 ein Doppelsieg in Le Mans, 1989 und 1990 jeweils die Fahrer- und Konstrukteurs-Meisterschaften in der damaligen Sportwagen-WM. Zu den Fahrern zählten 1991 bekannte Namen: Michael Schumacher, Heinz-Harald Frentzen und Karl Wendlinger.

Ausgerechnet im F1-Jubiläumsjahr steht Sauber vor Problemen. Seit die ersten C12 im März 1993 in Kyalami antraten und J.J. Lehto gleich im ersten Rennen einen fünften Platz errang, sind die Schweizer eines der erfolgreichsten Privatteams der F1-Geschichte. Zehn Jahre später jedoch werden andere Rekorde erreicht. Platz zwei wäre sicherlich ein Platz der Peter Sauber begeistern würde, wäre es nicht der auf der Ausfallstatistik, direkt hinter Minardi. Ein Unfall und sieben technisch bedingte Ausfälle nagen an der stoischen Contenance des Teamchefs. Von den möglichen Rennrunden schafften die beiden Wagen gerade einmal 60 %. Dabei sind die Voraussetzungen gar nicht schlecht: H-H Frentzen brachte es immerhin in 150 Rennen schon auf 168 Punkte und Nick Heidfeld gilt noch immer als kommendes Talent, wenn der Glanz auch momentan etwas verblasst. Mit einem Jahresbudget von 100 Millionen Euro liegt der Privatstall zwar weit hinter den jeweils ca. 250 Mio der Top Three, hat aber immerhin doppelt so viel Geld wie Jordan und dreimal so viel wie Minardi zur Verfügung. Auch am Motor kann es eigentlich nicht liegen; das Kundenaggregat von Ferrari ist das 051er Modell, mit dem Ferrari im vergangenen Jahr eine Rekordsaison fuhr. Bei Sauber aber platzten dieses Jahr, Training eingeschlossen, bislang sieben Motoren.

Dies ist auch das Problem, das Sauber derzeit am meisten drückt. Um mit dem Entwurf des 2004er Wagens zu beginnen, brauchen die Konstrukteure im Lauf des nächsten Monats die Abmessungen und Spezifikationen des Motors. Zwar ist Ferrari ein langjähriger Partner, der zumindest in der Vergangenheit auch durch Zuverlässigkeit glänzte, doch billig war die Marke eben noch nie - auch nicht für Triebwerke: 30 Millionen Euro kostet eine Saison. Nur ein Drittel, also 10 Mio kostet das Sonderangebot von Mercedes, die ebenfalls eine Lieferantenrolle übernehmen und damit zusätzliche Einnahmen und Publicity erreichen wollen. Die Stuttgarter waren lange Jahre enger Partner Sauber's; Mercedes war seit den 80er Jahren Lieferant für die Sportwagen-Motoren, entschied sich aber gegen den gemeinsamen Wechsel in die Formel 1; es blieb damals bei einer finanziellen Beteiligung. Eher unwahrscheinlich dürfte dagegen ein Einstieg von Volkswagen oder Hyundai sein, obwohl Gespräche geführt wurden.

Zumindest für das Problem der Aerodynamik steht die Lösung in Aussicht. Mangels eigenem Windkanal musste Sauber bislang bei den Flugzeugwerken Emmen testen und erreichte dort gerade einmal 2200 Stunden im Jahr - ein Viertel dessen, was Renault in zwei eigenen Anlagen parallel testet. Ohnehin wird die Arbeit der Aerodynamiker immer schwieriger; waren Ende der 90er Jahre noch 2 % Verbesserung ein hervorragendes Ergebnis, werden heute bereits 0,5 % als nennenswerter Fortschritt bewertet. Zudem berichtet Willy Rampf, der Technische Direktor des Teams, von zunehmend auftretenden Diskrepanzen zwischen theoretischen und Windkanal-getesteten Änderungen einerseits und deren tatsächlicher Wirkung auf der Strecke andererseits. Die Ingenieure machen daher mittlerweile Gegentests auf einem zweiten Windkanal in England. Anfang Dezember soll jedoch endlich der eigene Windkanal eingeweiht werden, ein 70-Millionen-Franken-Projekt. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 80 m/sec, also fast 300 km/h, einem Flat-Trac Rollband das mit der gleichen Geschwindigkeit auch die Räder bewegen kann, einer verlängerten Messtrecke mit 15 qm Querschnitt und hochentwickelten Computersystemen wird die Anlage das Modernste sein, was derzeit in der Formel 1 zum Einsatz kommt. Allerdings müssen Kanal und Systeme danach noch abgestimmt und kalibriert werden, was den tatsächlichen Einsatz erst im März oder April 2004 ermöglichen wird. Die erhofften Verbesserungen der Designs und Verkürzung der Entwicklungszyklen werden damit also erst zur Saison 2005 voll zum tragen kommen.

Bis dahin will sich das Team aus Hinwil in Geduld üben. Anstelle hektischer Umentwicklungen setzt Sauber auf kleine Schritte, um die gegenwärtige Situation zu verbessern - eine vielleicht sehr Schweizerische Einstellung, aber zweifelsfrei die richtige.


Zurück zu den Features