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Rules of Engagement - Das Regelchaos der FIA (10.7.2003)

Das Chaos hat System - will uns jedenfalls die FIA glauben machen. Im ewigen Kampf um Attraktivität und Einschaltquoten (sprich: "Geld") werden alljährlich Teile des mächtigen Regelwerks der Formel 1 geändert. Selten waren die Neuregelungen derart einschneidend wie in der laufenden Saison, ausgelöst durch Ferraris totale Übermacht im letzten Jahr. Dass dabei vieles sowohl am Ziel als auch an den Teilnehmern vorbei lief, konnte nicht ausbleiben und löste teils hektische, teils stille Änderungen der Änderungen aus. Der bisherige Verlauf im Überblick:

28. Oktober 2002
Beschluss der Formel 1 Kommission der FIA:
 - Teamorders mit Einfluss auf das Rennergebnis werden verboten ("Lex Ferrari Austriatis")
 - Die Punkteverteilung wird auf die acht Bestplazierten nach dem Schlüssel 10-8-6-5-4-3-2-1 erweitert. Siege werden weniger wert, die Punkte, die Teil des Verteilerschlüssels der Einnahmen an die Teams sind, werden gleichmässiger verteilt.
 - Das Qualifying wird geändert. Statt der einstündigen Sammelsession werden zwei Sessions mit Einzelfahrten eingeführt. Alle Autos sind damit gleich oft im Fernsehen zu bewundern.
 - Die Reifenlieferanten dürfen ab 2003 jedem Team zwei verschiedene Trockenreifen zur Verfügung stellen (bislang nur zwei einheitliche Mischungen für alle Teams), aber nur noch einen Regenreifen.

15. Januar 2003
Verfügung von FIA-Präsident Max Mosley:
 - Verbot von Datenübertragung und Funk zwischen Wagen und Box.
 - Nur noch zwei Wagen werden zur technischen Überprüfung zugelassen.
 - Verschluss der Wagen im Parc Fermé zwischen Qualifying und Rennen; kleine Reparaturen sind dort erlaubt, Abstimmung und Umbauten nicht.
 - Verbot von Traktionskontrolle, Startautomatik und Getriebeautomatik.
 - Erlaubnis der Verwendung gleicher Bauteile zwischen den Teams.
 - Andeutung einer Belohnung von 1 Mio. Dollar für das Verraten von Regelverstössen.
Ab 2004:
 - Standardisierte Steuerelektronik.
 - Standardisierte Bremse.
 - Liste von Komponenten, die nur noch einmal pro Rennwochenende getauscht werden dürfen.
Ab 2005:
 - Motor muss zwei Rennen lang benutzt werden. Ab 2006:
 - Motor muss sechs Rennen lang benutzt werden.

21. Januar 2003
Kompromiss nach Gesprächen zwischen der FIA und den Teams:
 - Datenübertragung von der Box zum Auto wird sofort verboten.
 - Datenübertragung vom Auto zur Box wird ab 2004 verboten.
 - Funkverkehr bleibt erlaubt und darf von FIA und Zuschauern mitgehört werden.
 - Verbot von Traktionskontrolle, Startautomatik und Getriebeautomatik wird auf den Englischen GP am 20.7. verschoben.
 - Standisierte Steuerelektronik 2004 entfällt.

12. Februar 2003
Radiointerview von Max Mosley:
 - Tankverbot im Parc Fermé; das zweite Qualifying muss also mit dem Spritvorrat für das Rennen gefahren werden.

23. März 2003
Mitteilung der FIA nach dem GP von Malaysia:
 - Verbot von Traktionskontrolle, Start- und Getriebeautomatik wird auf die Saison 2004 verschoben.

17. April 2003
Mitteilung von Max Mosley vor dem GP von San Marino:
 - Grössere Reparaturen wie Motorenwechsel dürfen nach dem Qualifying durchgeführt werden, der Wagen muss dann aber aus der Boxengasse starten.

2. Mai 2003
Mitteilung der FIA in Barcelona:
 - Traktionskontrolle, Start- und Getriebeautomatik bleiben auch 2004 erlaubt, nachdem die Teams nachweisen konnten dass das Verbot erhebliche Kosten verursachen würde.

Fortsetzung folgt …

Natürlich gab es schon immer Regeländerungen in der Formel 1. So ist der umstrittene Qualifying-Modus nur die letzte Iteration einer ganze Serie verschiedener Wertungsarten: Wurden zu Beginn der F1 in den 50er Jahren die Rundenzeiten aller Trainingssessions aufaddiert, folgte bald die Aufteilung in "freie", also nicht zählende Sitzungen und die gezeiteten Qualifyings. Zu Anfang entschied dabei aber die bessere Zeit aller Sessions, egal ob Freitags oder Samstags erzielt. Das einstündige, alles entscheidene Qualifying am Samstag wurde tatsächlich erst 1996 eingeführt.

Ebenso änderte sich auch Verteilung der WM-Punkte über die Dekaden. Ursprünglich gab es Punkte für die ersten fünf Fahrer plus - automatisch - für den Gewinner der Poleposition. Für den Gewinner des Rennens gab es zunächst acht, später neun und schliesslich zehn Punkte. Zudem konnten sich diese Punkte auch noch auf mehrere Fahrer aufteilen. Bis zum Jahr 1957 konnten sich beliebig viele Fahrer am Steuer eines Wagens ablösen, was angesichts der Belastung durch Hitze, Wetter und körperliche Anstrengung während der damals noch fast drei Stunden dauernden Rennen auch oft nötig war; errungene Punkte wurden zwischen den Fahrern geteilt. Extremfall: Der Grand Prix von Argentinien im Januar 1955. Platz zwei ging an José González, Nino Farina und Maurice Tritignant, vor dem nach Ausfällen erstellten Trio Farina, Umberto Maglioli und Trintignant (ja, zwei der Fahrer waren wirklich die gleichen), gefolgt von Hans Hermann, Stirling Moss und Karl Kling auf Platz vier. Nur zwei der 21 Wagen wurden während des ganzen Rennens von einem Fahrer pilotiert, darunter ironischerweise der des Gewinners: Juan Manuel Fangio, der die 375,552 Km in seinem Mercedes W196 in 3 h 00:38,6 schaffte.

Und wie geht es weiter ? Kaum überraschend: Training und Qualifying stehen wieder zur Debatte. Im Gespräch ist es, den Freitag zum reinen, freien Testtag zu machen - mehr Action für die Zuschauer, reduzierte Testkosten für die Teams. Der Samstag könnte dann ein freies Training und das erste Qualifying umfassen, während das zweite Qualifying auf den Sonntag Morgen verlegt würde. Eventuell werden auch - wo haben wir das gerade gelesen - beide Qualifying-Zeiten aufaddiert werden.

Wie gesagt: Fortsetzung folgt …


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